Was ist Hobbyhorsing?
Hobbyhorsing hat eine lange Tradition, denn das Steckenpferd hat es von den Feldern des antiken Griechenlands bis in die Sporthallen des 21. Jahrhunderts geschafft.
Hier findest du Wissenswertes zum Thema Steckenpferd, bzw. Hobbyhorse!
Hobbyhorsing als Sport
Beim Hobbyhorsing reiten Menschen aller Altersgruppen und Geschlechter, vorwiegend aber Mädchen und junge Frauen, auf Hobbyhorses. Sie tragen Wettbewerbe aus und stellen ihre Pferde oft auch selbst her. Am ehesten könnte man Hobbyhorsing wohl als „Leichtathletik, inspiriert vom Reitsport“ beschreiben. Aber diese Definition wird dem Hobby in seiner Gesamtheit nicht gerecht, denn es gibt unendlich viele Möglichkeiten es auszuüben.
Ein Sport für Jede*n
Die einen Hobbyhorser*innen finden Gefallen am Pferd-Rollenspiel, wie man es sich typischerweise vorstellt. Andere wiederum betreiben Hobbyhorsing als knallharten Leistungssport, in dem es ganz bestimmte Ziele zu erreichen gilt. Und dann gibt es noch das gesamte Spektrum dazwischen. Dabei macht es keinen Unterschied, wie „realistisch“ man das Hobby letztendlich ausüben möchte: Hobbyhorsing ist ein potenziell anspruchsvoller und fordernder Sport. Beinahe sämtliche Dressurlektionen können für zwei Beine adaptiert werden und eine mehrminütige Kür aus kontrollierten Bewegungen muss man sich erst einmal merken können. – Von Springparcours mit schwierigen Hinderniskombinationen und Sprunghöhen von bis zu 130cm ganz zu schweigen. Hobbyhorsing erfordert eine gute Kondition, Körperbeherrschung und auch einiges an Kraft. Von Kinderkram ist diese Sportart weit entfernt, sobald man einmal hinter die „Steckenpferd“-Fassade blickt.
Aber egal, ob das Hobbyhorse nach dem Training abgezäumt und auf die (imaginäre) Weide geschickt wird, oder ob es mit allem Drum und Dran zurück ins Regal kommt. – Was alle Hobbyhorser*innen vereint ist die Freude an den Hobbyhorses, an der Bewegung und auch an der Handwerkskunst, die in den Pferden steckt. Natürlich könnte man auch einen Plastikstab nehmen, oder die Bewegungen einfach so machen, aber es wäre eben nicht das Gleiche. Ein schönes Hobbyhorse macht den Sport einfach noch einmal interessanter.
Hier sind einige Links für dich, falls du dich gerne weiter über Hobbyhorsing, wie es in Finnland ausgeübt wird, informieren möchtest:
The Finnish Hobbyhorse Association
Offizielle Website der Finnish Hobbyhorse Championships
thehobbyhorse.fi – Infoseite mit Videos
Die Geschichte der Hobbyhorses
Hobbyhorses damals
Hobbyhorses, bzw. Steckenpferde im weitesten Sinne, gibt es wahrscheinlich schon, seit es die ersten domestizierten Pferde gibt. Das würde bedeuten, sie existieren seit der Bronzezeit von 2200-800 vor Christus. Tatsächliche historische Nachweise für Steckenpferde findet man allerdings erst etwas später, dafür aber unabhängig voneinander in unterschiedlichen Kulturen auf der ganzen Welt. In manchen davon waren sie von Beginn an ein Spielzeug, in anderen waren oder sind sie Kultobjekte, die nach wie vor bei bestimmten traditionellen Ritualen zum Einsatz kommen.
Historische Steckenpferde gibt es in mehreren verschiedenen Ausführungen. Zwei Varianten kommen besonders häufig vor, von denen eine allerdings kein typisches Steckenpferd ist. Bei dieser Form handelt es sich um einen breiten Rahmen mit Pferdekopf und Schweif, der auf der Hüfte getragen wird. Ein langer Stoff, der von dem Rahmen herabhängt, verbirgt die Beine des Trägers. Es wird Tourney Horse, Skirted Horse oder Jeval-Jupon genannt. (1) Die andere beliebte Variante ist das Steckenpferd wie wir es kennen und verwenden: ein Pferdekopf auf einem Stab, der zwischen den Beinen getragen wird.
Von der Antike bis ins Mittelalter
Die ältesten Erwähnungen von Steckenpferden findet man in Überlieferungen aus dem antiken Griechenland, im vierten und fünften Jahrhundert vor Christus. So wird zum Beispiel dem spartanischen General Agesilaos und dem griechischen Philosophen Sokrates nachgesagt, dass sie zusammen mit ihren Kindern zum Spaß auf Spielzeug-Steckenpferden ritten. (2) Es gibt auch zahlreiche Hinweise auf historische Steckenpferde im arabischen Raum. In Persien wurden diese z.B. schon im frühen fünften Jahrhundert im Rahmen von Kriegsritualen verwendet. Im damals muslimisch geprägten Al-Andalus (die heutige iberische Halbinsel) und in Ägypten hingegen, tauchten vor allem die Skirted Horses als Teil von Theatervorführungen und die Stabpferde als Spielzeug auf. (3)
Die meisten gut erhaltenen bildlichen Darstellungen von Steckenpferden stammen allerdings aus dem Mittelalter. Im katholischen Europa waren Steckenpferde zu dieser Zeit zuerst ein Überbleibsel alter heidnischer Traditionen. Diese hielten sich hartnäckig, obwohl sie vom vierten bis ins achte Jahrhundert immer wieder von der katholischen Kirche verboten wurden. (4) Einige dieser Traditionen haben bis heute überlebt, wie zum Beispiel die walisische Mari Lwyd.
Später wurden Steckenpferde hauptsächlich als Spielzeug verwendet. Junge Menschen lernten auf diese Weise von klein auf den Umgang mit echten Pferden kennen. Die Tiere waren das Hauptbeförderungsmittel der damaligen Zeit – wer also mit ihnen umgehen konnte, hatte einen klaren Vorteil.
Hobbyhorsing heute
Variationen von Hobbyhorsing, im Sinne von „das Nachahmen von echtem Reiten mit einem unechten Pferd“, existieren schon seit mehreren tausend Jahren und sind rund um die Welt bekannt und beliebt. Das Hobby wurde daher von niemandem „erfunden“ und ist auch keine kurzlebige Trendsportart. Als professionell organisierter Sport trat es jedoch erstmals in Finnland auf, wo es auch seinen Namen erhielt. Dort schlossen sich einige Hobbyhorse-Enthusiast*innen schon um das Jahr 2004 zu kleinen Verbänden zusammen. Die Suomen Keppihevosharrastajat ry (Finnish Hobbyhorse Association) wurde im Jahr 2016 gegründet, nachdem die Gruppe an Interessierten über die Jahre hinweg immer größer geworden war. Seit 2012 findet außerdem die Keppihevosten SM-kilpailut, die finnische Hobbyhorsing-Meisterschaft statt. Hier treffen sich jedes Jahr Hobbyhorsing-Fans aus ganz Finnland um sich auszutauschen und gegeneinander anzutreten. (5)
Hobbyhorsing wird international bekannt
Den ersten weltweiten Hobbyhorse-Boom gab es im Jahr 2017, als ausländische Medien auf den Dokumentarfilm Hobbyhorse Revolution und die darin gezeigte finnische Hobbyhorsing-Szene aufmerksam wurden. Etliche Artikel und Videos zum Thema Hobbyhorsing verbreiteten sich daraufhin über die sozialen Netzwerke. Auch in einigen Printmedien und TV-Formaten war Hobbyhorsing schon bald vertreten. Viele dieser Beiträge waren eher negativ und verfolgten den Zweck, mit vermeintlich skurrilen Inhalten Aufmerksamkeit zu bekommen. Dennoch trugen sie dazu bei, Hobbyhorsing international bekannt zu machen – und der Sport traf auf viele ernsthaft interessierte und begeisterte Personen außerhalb von Finnland. (6) Seither wächst die internationale Fangemeinde stetig und die Berichterstattung hat sich überwiegend zum Positiven gewandelt.
Mittlerweile wird Hobbyhorsing auch von vielen Reitervereinigungen weltweit als fixer Teil der Reitszene anerkannt. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN) veröffentlichte sogar ein eigenes Buch zum Thema Hobbyhorsing und einige Sportvereine bieten offiziell Kurse an.* Neben Finnland gibt es mittlerweile auch in einigen anderen Ländern Organisationen, die sich darum bemühen, Hobbyhorsing bekannter zu machen und den zahlreichen Fans der Sportart Möglichkeiten zur Entfaltung zu bieten.
(* Was solche Bücher und Kurse dann tatsächlich als “Hobbyhorsing” anbieten und verkaufen, variiert allerdings stark. Häufig richten sich diese Angebote nämlich an jüngere Kinder und umfassen auch Gymnastikübungen und pädagogische Elemente, die mit Hobbyhorsing im klassischen Sinne eher wenig zu tun haben.)
Quellen:
1) Harris, Max (2004): From Iraq to Andalusia: The Early History of the Hobbyhorse, University of Valencia
2) Plummer, Edward Marwick (1898): Athletics and Games of the Ancient Greeks, Boston: Lombard & Caustic
3) Harris, Max (2004): From Iraq to Andalusia: The Early History of the Hobbyhorse, University of Valencia
4) Alford, Violet (1978): The hobby horse and other animal masks, London: Merlin Press Ltd.
5) https://skhhry.fi/
6) Eigene Erfahrung, war live dabei
Wie fange ich mit Hobbyhorsing an?
Die Ausrüstung
Einer der ganz großen Vorteile von Hobbyhorsing ist: du benötigst dafür nicht viel. Ein Hobbyhorse kannst du günstig aus einem großen Socken oder Karton, etwas Wolle und einem Stab selbst basteln. Wenn du geschickt bist, oder schon etwas Näherfahrung hast, kannst du auch eines aus Stoff nähen. Es gibt zahlreiche Bastelanleitungen und Schnittmuster für Hobbyhorses im Internet, sieh dich einfach etwas um. Oder du nimmst den direkten Weg und kaufst ein fertiges Hobbyhorse auf Ebay, Etsy oder vielleicht von mir.
Dann benötigst du noch etwas Platz im Freien. Das kann dein eigener Garten/Innenhof oder ein Park in deiner Nähe sein. Vielleicht gibt es in deiner Umgebung ja sogar eine schöne Strecke zum Ausreiten, wie einen Wald- oder Feldweg. Das wars auch schon – du kannst mit Hobbyhorsing loslegen! Eine richtige Sporthalle ist für das Training natürlich optimal und gerade in kleineren Gemeinden ist es sogar vergleichsweise leicht, eine zu bekommen. Jugendliche, die Sport machen wollen, werden meistens sehr gerne unterstützt. Frag doch einfach einmal bei deiner Gemeinde nach, ob du die Sporthalle benutzen darfst!
Springen, Dressur, Western?
Wenn du bestimmte Disziplinen trainieren möchtest, kannst du dein Equipment natürlich noch entsprechend erweitern. Für das Springen könntest du dir Hindernisse aus Holz bauen oder praktische Agility-Hürden kaufen. Für den Anfang tun es aber auch ein paar Eimer, Kisten oder Hocker und ein Besenstiel oder Plastikrohr als Querstange. Achte bei deinen improvisierten Hürden aber unbedingt darauf, dass die Stange möglichst leicht ist und immer herabfallen kann! Sonst besteht die Gefahr, dass du dich verletzt, wenn das ganze Hindernis mit dir zu Boden geht. Falls du Dressurlektionen üben möchtest, kannst du ein Dressurviereck mit Holzstangen oder Plastikrohren abgrenzen. Vielleicht möchtest du auch Aufsteller mit Buchstaben basteln, wie es sie auf einem Reitplatz gibt. Probiere einfach alles aus, was dir Spaß machen könnte. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!
Wenn du noch mehr Inspiration möchtest, suche auf Youtube, Instagram etc. nach #hobbyhorsing und du wirst auf viele Gleichgesinnte treffen. Vielleicht gibt es in deiner Umgebung ja sogar einen Hobbyhorsing-Club oder Verein!